Eine der großen zukünftigen Herausforderungen der Windenergiebranche liegt im Offshore-Bereich, darüber sind sich die Experten seit langem im Klaren. Auch der Branchenprimus, die wpd AG aus Bremen, engagiert sich in diesem Zukunftsmarkt. Zu diesem Thema ein Interview mit wpd-Vorstand Dr. Gernot Blanke (Foto rechts).

Frage: „Im Bereich der Onshore-Windparks hat sich wpd seit Jahren als Marktführer etabliert – wie sieht es nun aber mit Projekten im Offshore-Bereich aus?“

Dr. Gernot Blanke: „Gemeinsam mit unserem Partner, der WIND-projekt aus Börgerende stellt sich die wpd AG aus Bremen mit dem Tochterunternehmen, der Offshore Ostsee Wind AG dieser Herausforderung. Bereits im September dieses Jahres wird das erste deutsche Projekt unter offshore-ähnlichen Bedingungen, die Windenergieanlage „Rostocker Hafen“ in Betrieb genommen – im Mai erfolgt der Baubeginn. Bei der bereits genehmigten Anlage vom Typ Nordex handelt es sich um die erste deutsche Windenergieanlage, bei der wir unter „offshore-ähnlichen“ Bedingungen Erfahrungen sammeln werden. Die Anlage wird rund 6 Mio. kWh Strom produzieren und damit rund 1.700 Haushalte versorgen. Für die Finanzierung des 4 Millionen-Euro-Projektes ist ein regional ausgerichteter Vertrieb mit einer Mindestbeteiligung von 2.000 Euro für den Eigenkapitalanteil von ca. 1,2 Mio. Euro vorgesehen.“
Frage: „Unter welchen Bedingungen und an welchem genauen Standort wird dieses Projekt realisiert?“
Dr. Blanke: „Die Anlage wird nordöstlich des Wendebeckens vor dem Rostocker Chemiehafen in geringer Wassertiefe errichtet – der Abstand zu den Schiffahrtswegen entspricht aus Sicherheitsgründen der Kipphöhe der Windenergieanlagen. Zum Einsatz kommt eine Nordex N90 Offshore-Anlage mit einer Nabenhöhe von 80m, einer Gesamtbauhöhe von 125 m und einer Generatorleistung von 2,3 MW. Die Betriebszeit wird mindestens 20 Jahre betragen.“
Frage: „Inwiefern lassen sich Erfahrungen mit diesem Projekt auf spätere Projekte übertragen?“
Dr. Blanke: „Mit diesem bundesweit ersten Projekt unter offshore-ähnlichen Bedingungen werden im Flachwasserbereich verschiedene Technologien und logistische Lösungen getestet und optimiert, die für die spätere Erschließung von großen Offshore-Windenergiestandorten genutzt werden können. Dies gilt unter anderem für den Aufbau, die elektrotechnischen Konzepte, die Vermessung der WEA in Bezug auf die Belastung und die Leistungsfähigkeit. Von besonderer Bedeutung sind aber auch die Bewertung von maritimen Bedingungen, die Logistik für die Betriebsführung und die Wartung und nicht zuletzt für die Messungen bezüglich der Schallausbreitung über und unter Wasser. Wir wollen diese Erfahrungen für unsere weiteren Ost- und Nordsee-Projekte nutzen. Im Einzelnen handelt es sich dabei in der Ostsee um die Projekte „Baltic I“ mit 21 Anlagen der 2,3 MW-Klasse und einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 100 Mio. Euro sowie dem Projekt „Kriegers Flak“ mit 75 Anlagen der 3,5 und 5-MW-Klasse für das darüber hinaus noch eine Option für 9 weitere Anlagen der 4,5-MW-Klasse besteht. In der Nordsee planen wir gemeinsam mit der innoVent GmbH aus Varel den „Hochsee Windpark Nordsee“ mit 511 Anlagen sowie den Windpark „He dreiht“, jeweils mit Anlagentypen der 4,5 MW-Klasse. Aufgrund unserer Voruntersuchungen, der Fortschritte im Genehmigungsverfahren sowie unserer parallel verlaufenden Erfahrungen im Projekt „Rostocker Hafen“ sehen wir für all diese Projekte sehr gute Realisierungschancen.“
Frage: „Welche Perspektiven sehen Sie in den kommenden Jahren im Bereich Offshore?“
Dr. Blanke: „Das Offshore-Windstrompotential in europäischen Gewässern ist enorm – die größten Potentiale sehen wir in Nord- und Ostsee. Beim BSH beantragt sind insgesamt 30 Vorhaben mit einer Gesamtleistung von circa 60.000 MW. Langfristszenarien für Deutschland gehen für das Jahr 2030 von einer installierten Offshore-Leistung von 2.700 MW und für das Jahr 2050 von 6.400 MW aus, was einer Erschließung von rund 10% des technischen Potentials entspräche.
Neben dem enormen Offshore-Windpotential gibt es jedoch noch eine Vielzahl weiterer Gründe für die Entwicklung von Offshore-Standorten: Offshore-Windenergie ermöglicht bei entsprechenden Abständen zur Küste ein Ausweichen auf Gebiete mit geringeren Nutzungskonflikten. Außerdem sind perspektivisch Kostenreduktionspotenziale in den Bereichen Netzanbindung, Fundamentierung und auch bei der technischen Betriebsführung zu erwarten – entsprechend der Entwicklung im Onshorebereich.
Trotz vergleichsweise deutlich höherer Investitionskosten für Fundament und Netzanbindung können angesichts der zu erwartenden Erträge wirtschaftlich attraktive Projekte entwickelt werden. In jedem Fall empfiehlt sich neben der Verwendung technisch ausgereifter Anlagen eine verantwortungsbewusste Entwicklung von Offshore-Standorten, an dessen Beginn umfassend evaluierte Demonstrationsprojekte stehen sollten. Diesem Anspruch werden wir mit dem „Rostocker-Hafen“-Projekt gerecht.“